Wälzlager für Wasserstoffanwendungen qualifizieren

Für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur werden Pumpen und Verdichter mit hoher Lebensdauer und gutem Wirkungsgrad benötigt. Die hier eingesetzten Lagerungen kommen teilweise direkt mit Wasserstoff in Kontakt. Es ist bereits bekannt, dass aus Standard-Wälzlagerstähle aus gehärtetem 100Cr6 unter dem Einfluss von Wasserstoff stark verringerte Lebensdauern zeigen [1]. 

Lösungsansätze zur Vermeidung von Frühausfällen sind momentan die Verwendung von keramischen Wälzkörpern oder von Legierungen mit hohem Chromanteil, also korrosionsbeständigen Stählen [2]. Diese sind jedoch im Vergleich zu 100Cr6 wesentlich teurer und weniger gut verfügbar. Eine weitere Möglichkeit, Wälzlageroberflächen vor einem Wasserstoffangriff zu schützen, sind Beschichtungen und Brünierungen. Diese wirken als Diffusionsbarriere und können dem Eindringen von Wasserstoff in das Metallgefüge entgegenwirken [3]. Im Hinblick auf eine steigende Anzahl von Anwendungen in Wasserstoffatmosphäre sind bezahlbare und verfügbare Werkstoffe für Wälzlager eine wichtige Voraussetzung. Zusätzlich werden Prüfmöglichkeiten benötigt, um neuartige Lösungsansätze experimentell erproben zu können. 

Am Fraunhofer IWM wurde eine Prüfmethode entwickelt und aufgebaut, um Wälzlager in Hochdruckwasserstoffatmosphären bei bis zu 300 bar prüfen zu können (Abb. 1). Der Prüfstand befindet sich in einer Hochdruckkammer. Die Prüfungen können geschmiert mit Ölen oder Fetten durchgeführt werden. Eine zusätzliche Temperierung der Prüfkammer ermöglicht Prüftemperaturen bis  200 °C. Für die Wälzlagerprüfung werden zwei Axiallager gegeneinander verspannt eingebaut. Der Prüfaufbau kann so Kontaktpressungen von bis zu 3 GPa realisieren. Ziele der Versuche ist es, Schmierstoffe, Werkstoffe und Beschichtun-gen unter anwendungsnahen Bedingungen in Wasserstoffatmosphären hinsicht-lich ihrer tribologischen Eigenschaften zu qualifizieren, und so Schädigungen zu vermeiden und die Lebensdauer von Wälzlagern unter Wasserstoffeinfluss deutlich zu verbessern. 

© Fraunhofer IWM
Abb. 1.: Wälzlagerprüfstand in einer Hochdruckkammer für Versuche in Wasserstoff.
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Abb. 2: Wälzlager mit einer wasserstoffinduzierten Oberflächenschädigung (oben) und WEC-Rissnetzwerk unterhalb der Oberfläche in einem Querschliff der Zylinderrolle (unten).

Schädigung bei Wälzlagern im  Zusammenhang mit Wasserstoff

Wasserstoffschäden sind im Gegensatz zu klassischen Wälzlagerschäden keine Ermüdungsschäden. Sie entstehen zumeist weit vor dem berechneten Lebensdauerende bei 5–10 Prozent der berechneten Lebensdauer und werden deshalb oft als Frühausfälle bezeichnet [4]. Die Akkumulation von Wasserstoff in der Mikrostruktur der Komponenten führt zu Bildung von großen Rissnetzwerken. Typisch für Wasserstoffschäden in 100Cr6 Wälzlagerstählen ist die Bildung von weißen Anätzungen an den Rissflanken der Rissnetzwerke (Abb. 2). Diese werden als »White Etching Cracks« (WEC) bezeichnet. Durch weiteres Überrollen der geschädigten Bereiche breiten sich die Rissnetzwerke aus, wodurch es nach kurzer Zeit zum Abplatzen der überrollten Oberfläche kommt, welche zum Funktionsverlust der Wälzlager führt. 

Aber nicht nur die Wälzlager unterliegen großen Herausforderungen, sondern auch für die eingesetzten Schmierstoffe entstehen aufgrund der Wasserstoffatmosphäre veränderte Anforderungen. Durch den geringeren Sauerstoffanteil in der Atmosphäre werden Oxidationsreaktionen verhindert und chemische Wechselwirkungen zwischen den Schmierstoffadditiven und der Lageroberflächen verändert. Dadurch können einerseits passivierende Oxidschichten, die durch Verschleiß abgetragen werden, nicht nachgebildet werden; andererseits wird die Wirkung von im Schmierstoff enthaltenen Reibminderern und Verschleißschutzadditiven gehemmt. Wasserstoff reagiert teilweise chemisch mit den Schmierstoffen, wodurch sich Veränderungen der Viskosität ergeben können. Durch die verringerte Wirkung der Schmierstoffadditive und ausbleibende Passivierung durch Oxidation entstehen reaktive Werkstoffoberflächen. Auf ungeschützten Metalloberflächen sind Adsorptions- und Absorptionsreaktionen mit Wasserstoff deutlich stärker ausgeprägt, wodurch dieser von der Oberfläche in den Werkstoff eindringen kann [5].

Werkstoffe, Beschichtungen und Schmierstoffe, und deren Wechselwirkung in Wälzlagern unter Wasserstoffatmosphäre können am Fraunhofer IWM unter anwendungsnahen Bedingungen untersucht und Schädigungsmechanismen aufgeklärt werden. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die oben beschriebenen Lösungsansätze zur Verbesserung der Belastbarkeit, Zuverlässigkeit und Einsatzdauer von Wälzlagern in Wasserstoffumgebung zu evaluieren und anzupassen. Technologisch nutzbare Lösungen werden für den Aufbau einer funktionierenden Wasserstoffinfrastruktur dringend benötigt.

 

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