Die richtige Partikelausrichtung bei der fluidbasierten Formgebung

Berechnung des Strömungsfelds

Die Rheologie von partikelbeladenen Fluiden ist durch scherverdünnende, scherverdickende oder thixotrope Effekte häufig komplex und die Vorhersage des Strömungsfeldes nicht trivial. Typische Fragestellung bei komplexen Strömungen betreffen häufig das Vermeiden von Toträumen durch eine entsprechend optimierte Geometrie oder die Sicherstellung einer konstanten Viskosität.

Partikelausrichtung genau bestimmen

In partikelbeladenen Fluiden mit unrunden Teilchen neigen diese insbesondere in größeren Scherfeldern zu einer gewissen Ausrichtung. Je nach Anwendung kann dies erwünscht oder unerwünscht sein. Die Partikelausrichtung kann jedoch beeinflusst werden. Doch wie stark müsste das Scherfeld beim Foliengießen oder bei 3D-Druckverfahren wie dem Fused-Filament-Fabrication sein, um eine gewissen Ausrichtung der Primärpartikel zu erreichen. Oder sollte man alternativ andere Partikelformen verwenden?

Projektbeispiele

© Fraunhofer IWM
Simulation des Foliengießens mit Visualisierung der Stromlinien. Die Farbkodierung entspricht der lokalen Scherrate. Ziel der Untersuchung war die Optimierung der Orientierung der Partikel, welche im Zulauf noch zufällig orientiert sind und sich während des Prozesses ausrichten.

Optimierung der Partikelausrichtung beim Foliengießen durch Prozesssimulation

 

Bei der Herstellung von Keramikfolien ist die lokale Gefügestruktur ein entscheidender Faktor für die Materialeigenschaften. Die experimentelle Bestimmung dieser Größe ist jedoch umständlich und Simulationen dienen alternativ für fundierte Entscheidungsgrundlagen. Am Fraunhofer IWM wurde ein gekoppeltes Simulationsmodell auf Gefüge- und Anlagenebene entwickelt. Dieses Modell umfasst den kompletten Ablauf des keramischen Gießprozesses einschließlich der Berechnung des Geschwindigkeitsfelds und der Partikelausrichtung im Gießschlicker und im resultierenden Produkt. Durch die Simulationen auf der Anlagenskala kann die Prozessführung beim Foliengießen kostengünstig optimiert und Toträume vermieden werden. Auf Gefügeebene erlaubt die Simulation Aussagen zur gezielten Beeinflussung die Partikelorientierung. So kann die Simulation helfen den Ausschuss zu verringern, gewünschte Gradienten in der Partikelverteilung genauer einzustellen und die Ausrichtung der Partikel gezielt zu verbessern.

  • Prozesssimulation des Foliengießens [ PDF  1,06 MB ]
  • Weitere Einzelheiten zum Foliengießen sind auf unserer SimPARTIX-Homepage zu finden
  • P. Polfer, Z. Fu, T. Breinlinger, A. Roosen, T. Kraft, Influence of the doctor blade shape on tape casting - Compari-son between analytical, numerical and experimental results, J. Am. Ceram. Soc. 99 (2016) 3233-3240. Link
  • P. Polfer, T. Breinlinger, T. Kraft, Simulation of tape casting: capabilities and potentials, cfi/Ber. DKG 92, no 10-11 (2015) E181-E186 Link
  • Fu, Z.; Polfer, P.; Kraft, T.; Roosen, A.; Three-dimensional shrinkage behavior of green tapes derived from spherical-shaped powders: Experimentical studies and numerical simulations; Journal of the European Ceramic Society 35/8 (2015) 2413–2425 Link

© Fraunhofer IWM
Strömungsverhalten einer Silberpaste vor einem Rakel beim Siebdruck. Die Abbildung zeigt die Stromlinien und farbkodiert die Scherrate der Paste. Die hohe Scherrate unten am Sieb führt zu einer Verringerung der Pastenviskosität.

Verringerung der Strukturbreiten beim Siebdruck keramischer Mehrlagenschaltungen


Keramische Mehrlagenschaltungsträger sind u.a. in Mikrowellen-Schaltkreisen, Herzschrittmachern, Sensoren und WLAN-Einheiten zu finden. Die feinen Leiterbahnen werden durch Siebdruck auf die Platinen aufgebracht. Dazu wird eine Metallpaste, die feine Silber oder anderere Edelmetallpartikel enthält, durch eine Schablone entsprechend der gewünschten Form auf eine Oberfläche gedruckt und danach bei relativ niedriger Temperatur zusammen mit den Keramikfolien gesintert. Am Fraunhofer IWM wurde ein Simulationsmodell zur vollständigen Beschreibung des Strömungsverhaltens der Paste im Siebdruck-Prozess entwickelt und eingesetzt. Dabei wurde gezeigt, dass eine hydrophobe Beschichtung der Siebunterseite die Pastenablösung deutlich verbessert, während eine separate Beschichtung der Sieboberseite nicht notwendig ist. Dies erleichterte die Entwicklung geeignet beschichteter Siebe und daran angepasster Pasten bei den industriellen Partnern. 

© Fraunhofer IWM
Visualisierung des Extrusionsprozesses beim Robocasting, bei dem ein kontinuierlicher Strang aus einer beweglichen Düse extrahiert wird. Von Interesse ist die Orientierung der keramischen Partikel, die sich in dem Strang befinden.

Rheologie keramischer Pasten beim Robocasting


Robocasting ist ein Beispiel für die auf Materialextrusion basierende additive Fertigung. In diesem konkreten Beispiel wurde eine Paste betrachtet, die im mikroskopischen Maßstab aus keramischen Partikeln verschiedener Formen und Größen besteht. In dem Projekt ging es insbesondere um die Orientierung der Partikel im gedruckten Strang. Konkret wurde versucht über die Pastenrheologie und die Düsengeometrie eine einheitliche Partikelorientierung einzustellen. Hierfür wurde ein Prozessablauf etabliert, in denen Simulationen auf mikroskopische Skala die Partikelgeometrie genau auflösen und dann die Ergebnisse auf makroskopischer Skala verwendet wurden. Konkret wurden die Daten verwendet, um effektive Orientierungsmodelle zu kalibrieren. Diese Kombination ermöglicht es jede Partikelgeometrie und Größenverteilung zu berücksichtigen und mit schnellen Modellen wie dem Folgar-Tucker-Modell akkurate Partikelorientierungen vorherzusagen.

  • Dietemann, B.; Bosna, F.; Lorenz, M.; Travitzky, N.; Kruggel-Emden, H.; Kraft, T.; Bierwisch, C., Numerical study of texture in material extrusion: Orientation in a multicomponent system of spheres and ellipsoids, Journal of Non-Newtonian Fluid Mechanics 291 (2021) Art. 104532 Link
  • Dietemann, B.; Bosna, F.; Kruggel-Emden, H.; Kraft, T.; Bierwisch, C., Assessment of analytical orientation prediction models for suspensions containing fibers and spheres, Journal of Composites Science 5/4 (2021) Art. 107, 18 Seiten Link
  • Dietemann, B.; Wahl, L.; Travitzky, N.; Kruggel-Emden, H.; Kraft, T.; Bierwisch, C., Reorientation of suspended ceramic particles in robocasted green filaments during drying, Materials 15/6 (2022) Art. 2100, 20 Seiten Link
  • Dietemann, B.; Bierwisch, C., Predicting particle orientation: Is an accurate flow field more important than the actual orientation model?, Journal of Non-Newtonian Fluid Mechanics 310 (2022) Art. 104927, 12 pages Link

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