Mechanische Untersuchungen an Mikroproben

© Fraunhofer IWM

Unsere mikromechanischen Versuchsaufbauten sind für die Untersuchung von Proben im Mikrometerbereich optimiert. Dies ermöglicht uns die Untersuchung kleinster Bauteile sowie die Bestimmung lokaler Eigenschaften makroskopischer Bauteile. Damit können mechanische Skalen- und Skalierungseffekte, die bei der Miniaturisierung zusätzliche Streuung in den mechanischen Eigenschaften verursachen, charakterisiert werden. Mikromechanische Versuche dienen dazu diese Streuungen statistisch abzubilden.

Wir bestimmen die Materialeigenschaften unserer Mikroproben mit Hilfe quasistatischer und zyklischer Zug- und Biegeversuche. Diese Versuche können kraft- oder verschiebungskontrolliert durchgeführt werden. Zudem bieten wir dehnungskontrollierte Ermüdungszugversuche an. Diese kommen häufig im plastischen Bereich zum Einsatz, also außerhalb des Gültigkeitsbereiches der technischen Spannung.

Für Ermüdungsversuche bei hohen und sehr hohen Lastspielzahlenm, bis zu zehn Milliarden (1010),steht uns mit der multiaxialen Resonanzapparatur ein eigens entwickelter Versuchsaufbau zur Verfügung. Dieser zeichnet sich durch eine ausgeprägte Empfindlichkeit zur Detektion früher Ermüdungsschädigungen, von der Gleitbandbildung bis hin zum Wachstum mikrostrukturell kurzer Risse, aus.  

Einerseits können unsere Mikroversuche dabei an DIN-Normen der Makrowelt angelehnt sein. Andererseits befähigt uns die Modularität unserer Aufbauten, uns stetig weiterzuentwickeln und dabei auch auf Kundenwünsche bei Setupoptimierungen und Neuentwicklungen einzugehen. Anpassungsmöglichkeiten bestehen beispielweise bei der Mechanik und der Regelung, bei der Versuchsdurchführung und der verwendeten Sensorik. Unsere Versuchsaufbauten werden auch genutzt, um die Eigenschaften unserer selbst entwickelten Metamaterialien zu bestimmen.

Mikroproben: Präparation, Qualitätskontrolle und Vermessung

© Fraunhofer IWM
Drei Mikroproben im Größenvergleich: Probe für Biegeresonanzversuche (oben), Biegeversuche (Mitte) und Zugversuche (unten).

Präparation

Neben Bauteiltests extrahieren wir Proben aus relevanten Bereichen ihrer Bauteile, um  lokale mechanische Eigenschaften zu ermitteln. Dabei kommen verschiedene Verfahren zur Probenherstellung zum Einsatz. Wir können Mikroproben/Bauteile mit einer Dicke zwischen 10 µm und 1000 µm testen, wobei die übliche Probendicke bei ca. 200 µm liegt. Die Probengeometrie wird den jeweiligen Projektanforderungen und dem zu testenden Material angepasst. Gleiches gilt für die Probenherstellung. Folgende Methoden zur Probenherstellung stehen zur Verfügung:

  • Laserschneiden
  • Mikrodrahterosion
  • Stanzen
  • Fräsen
  • Elektropolitur
  • Mechanische Schleif- und feinste chemisch-mechanische Polierschritte
© Fraunhofer IWM
(a) Mikrozug- und Biegeprobe. In den blau markierten Bereichen (L, M, R) werden Dicke und Breite der Probe vermessen. (b) Automatisierte Probenvermessung an einer gefrästen Biegeprobe. Die Probengeometrie wird mit Hilfe eines speziellen Software-Tools vermessen. Dabei tastet sich die Software von beiden Seiten bis zum Bereich eines starken Kontrastunterschiedes vor und detektiert dadurch die Kontur der Probe. Die roten Pfeile zeigen die erfolgreiche Detektion der Probenkante an.

Qualitätskontrolle und Vermessung  

Vor der Durchführung mikromechanischer Test werden die Proben mikroskopisch untersucht. Dabei wird zum einen die Oberflächenqualität auf Poren, Kratzer und sonstige Defekte überprüft, zum anderen wird die Probengeometrie automatisiert gemessen. Auch wenn die Probenfertigung sehr reproduzierbar ist, kann die Qualitätsprüfung bei Bedarf, z.B. im Fall von neuartigen Materialien, unter anderem auch die Erfassung von Rauheitskennwerten beinhalten. Die Geometriebestimmung ist entscheidend für die spätere Berechnung mechanischer Materialparameter (z.B. technische Spannung) anhand der Ergebnisse von Biege- und Zugversuchen. Die Probengeometrie wird an verschiedenen Positionen gemessen, um eine Statistik zur Mittelwertbildung oder potentielle Schwankungen zu erfassen.

Im Rahmen von Studentenprojekten entwickeln wir die Probenvermessung kontinuierlich weiter.

 

nach oben

Zugversuche

© Fraunhofer IWM
Versuchsaufbau für quasistatische und zyklische Zugversuche. (a) Überblick Versuchsaufbau. (b) Detailansicht Probenhalter mit eingelegter Mikrozugprobe.

Wir führen quasistatische und zyklische Mikrozugversuche in einem linearen Versuchsaufbau durch. Während ein Probenhalter statisch mit der Kraftmesszelle verbunden ist, wird der andere von einem Piezoaktor bewegt. Dieser ermöglicht höchste räumliche Auflösung. Reicht der Bewegungsbereich des Piezoaktors nicht aus, können größere Bewegungen mit Hilfe eines Schrittmotors realisiert werden. Damit erzielen wir definierte experimentelle Randbedingungen.

Wir können sowohl kraft- als auch verschiebungskontrollierte Zugversuche anbieten. Ermüdungszugversuche mit Lastspielzahlen im Bereich der Kurzzeitschwingfestigkeit (engl. low cycle fatigue, LCF, bis zu ca. zehntausend Lastspiele) und der Betriebsfestigkeit (high cycle fatigue, HCF, bis zu ca. zwei Millionen Lastspiele) werden standardmäßig durchgeführt. Dabei stellt die gleichzeitige Regelung der Probenfrequenz und Schwingamplitude kontrollierte Belastungsbedingungen her. Diese können in einem Frequenzbereich zwischen 0.1 – 120 Hz und bei positiven Mittelspannungen (geometrieabhängig) aufrechterhalten werden.

Sowohl quasistatische Zugversuche als auch Zugermüdung können wir in einem Temperaturbereich von Raumtemperatur bis ca. 800 °C anbieten (in Planung sind Versuche bis ca. 1100 °C). 

Für Ermüdungszugversuche im plastischen Bereich haben wir eine spezielle Software entwickelt, die es uns ermöglicht diese Versuche auch dehnungskontrolliert durchzuführen.

Bestimmbare Materialparameter:

  • Elastizitätsmodul
  • Poissonzahl
  • Streckgrenze
  • Zugfestigkeit
  • Bruchfestigkeit
  • Kurzzeitfestigkeit und Betriebsfestigkeit

nach oben

Biegeversuche

© Fraunhofer IWM
Versuchsaufbau für quasistatische und zyklische Biegeversuche. (a) Überblick Versuchsaufbau Dreipunktbiegeversuch. (b) Detailansicht Probenhalter mit eingelegter Mikrobiegeprobe.

Auch quasistatische und zyklische Drei- und Vierpunktbiegeversuche führen wir in einem linearen Versuchsaufbau durch. Der Probenhalter mit den beiden äußeren Lagern ist fest mit der Kraftmessdose verbunden. Durch vertikales Verfahren des Piezoaktors wird über die Einzel- (Dreipunktbiegung) oder Doppeldruckfinne (Vierpunktbiegung) eine Kraft auf die Probe ausgeübt. Die resultierende Durchbiegung wird mit Hilfe einer Kamera aufgenommen. Reicht der Bewegungsbereich des Piezoaktors nicht aus, können größere Bewegungen mit Hilfe eines Schrittmotors realisiert werden. Der Abstand der äußeren Lager kann in Abhängigkeit von Probengröße und Materialeigenschaften variiert werden. Biegeversuche können kraft- oder verschiebungskontrolliert durchgeführt werden.

Ermüdungsbiegeversuche mit Lastspielzahlen im Bereich der Kurzzeitschwingfestigkeit (engl. low cycle fatigue, LCF, bis zu ca. hunderttausend Schwingspiele) und der Betriebsfestigkeit (high cycle fatigue, HCF, bis zu ca. zwei Millionen Lastspiele) werden standardmäßig durchgeführt.

Bestimmbare Materialparameter:

  • Biegemodul
  • Streckgrenze
  • Bruchfestigkeit
  • Kurzzeitfestigkeit und Betriebsfestigkeit

nach oben

Multiaxiale Resonanzermüdungsversuche zur Bestimmung der Betriebs- und Dauerfestigkeit

© Fraunhofer IWM
Multiaxiale Resonanzermüdungsapparatur für Ermüdungsversuche im HCF- und VHCF-Regime. (a) Versuchsaufbau Multiaktionale Resonanzapparatur. Die Piezoaktoren versetzen die Probe in Schwingungen bei Eigenfrequenz. Die Schwingungsamplitude wird über ein Lasersystem gemessen und geregelt. (b) Bei Eigenfrequenz schwingende Resonanzprobe (c) Größenvergleich Resonanzprobe. Der untere rechteckige Teil der Probe wird in die Multiaxiale Resonanzapparatur eingespannt.

Wir bieten Ermüdungsversuche im High Cycle und Very High Cycle Fatigue Regime (engl. HCF bzw. VHCF), also bei Lastspielzahlen von hunderttausend (105) bis ca. zehn Milliarden (1010) an. Mit unserer selbstentwickelten multiaxialen Resonanzapparatur lassen sich Mikroproben sowohl in Biege- und Torsions- als auch in Mischresonanz ermüden.

Zwei Piezoaktoren regen die Mikroprobe indirekt zu Schwingungen in ihrer Eigenfrequenz an (100-2000 Hz, in Abhängigkeit von der Probengeometrie), während die Schwingungsamplitude über ein Lasersystem gemessen und geregelt wird. Somit wird bei dieser Ermüdungsapparatur eine symmetrische Belastung (R=-1) eingestellt. Ermüdungserscheinungen wie Extrusionsbildung und Rissnukleation in einzelnen Körnern oder das Wachstum von Mikrorissen können sehr früh durch ein charakteristisches Absinken der Resonanzfrequenz detektiert werden. Neben Korngrenzen und Ausscheidungen, stellen Extrusionen in vielen Materialien versagensrelevante Vorläufer von Rissen dar. Mittels bildgebender Verfahren lassen sich Bilderserien im Verlauf der Ermüdung aufnehmen, aus denen Informationen zur Kinetik der Schädigungsakkumulation gewonnen werden können.

Bestimmbare Materialparameter und Schädigungsanalyse

  • Schwingfestigkeit im HCF und VHCF Regime
  • Bruchfestigkeit
  • Detektion früher Schädigungsstadien (z.B. Gleitband- und Extrusionbildung) über einen charakteristischen Abfall der Eigenfrequenz
  • Statistische mikrostruktur- und defektbasierte Sensitivitätsanalysen zu Schädigungsentwicklung (in Verbindung mit begleitender Analytik)
  • Interaktion von Schädigungen mit Mikrostrukturdefekten (z.B. Korngrenzen)
  • Kinetik der Schädigungsakkumulation (Extrusionsbildung und Risswachstum)

nach oben

Fraunhofer IWM Videoserie: Resonanzszenarien der multiaxialen Resonanzapparatur

Aufgenommen und dargestellt mit einer Bildfrequenz von 1 Hz, Abzugsgeschwindigkeit 0,4 µm/s. Grüne und blaue Kreuze repräsentieren Messpunkte für die berührungsfreie Dehnungsmessung (Digital Image Correlation, DIC). Blaue Kreuze zeigen die Positionen der Messpunkte zu Beginn des Experiments, grüne Kreuze zeigen die Position des jeweiligen Messpunktes im Verlauf des Zugversuchs.

UHCF Resonance Fatigue Setup/Biegeresonanzmaschine Ermüdung

Detektion früher Schädigungsstadien über einen charakteristischen Abfall der Eigenfrequenz

© Fraunhofer IWM
Relative Änderung der Resonanzfrequenz in Abhängigkeit von der Lastspielzahl während eines Dauerschwingfestigkeitstest (engl. High Cycle Fatigue, HCF) an einer Nickelprobe.

Am Biegeresonanzsetup können frühe Schädigungsstadien über einen charakteristischen Abfall der Eigenfrequenz detektiert werden. Die Abbildung links zeigt  den charakteristischen Verlauf der relativen Resonanzfrequenzänderung bei der Ermüdung einer Nickelprobe.

Erste Änderungen der Resonanzfrequenz sind ab Lastspielzahlen von ca. 105 durch die Bildung von Extrusionen zu beobachten. Diese tragen zur Entstehung von oberflächlichen oder internen Mikrorissen innerhalb einzelner Körner bei. Ab 106 Schwingspielen breiten sich Mikrorisse auch über Korngrenzen hinweg aus und bilden erste längere Risse.

Durch die Formation eines langen Risses über die gesamte Probe sinkt die Resonanzfrequenz schließlich sehr stark ab.

 

nach oben

Testparameter Zug-, Biege- und Biegeresonanzversuche

© Fraunhofer IWM

 

Die Tabelle links gibt einen ersten Überblick zu den Leistungsparametern der verfügbaren technischen Ausstattung. Zögern Sie aber bitte nicht sich mit speziellen Fragestellungen zur Mikromechanik an uns zu wenden. Wir werden sicher eine Lösung finden.

Entwicklung und Optimierung mikromechanischer Versuchsstände (inkl. Softwaretools)

© Fraunhofer IWM
Versuchsaufbauten für quasistatische und zyklische Zugversuche im Temperaturbereich bis ca. 200 °C (a und b) und bis ca. 800 °C (c und d). (a) Ansicht geschlossener Ofen 200°C, ohne Frontverkleidung. (b) Innenansicht Ofen 200 °C mit Probenhaltern und eingespannter Probe, nach Ende eines Zugversuchs. (c) Ansicht geschlossener Ofen 800 °C. (d) Innenansicht Ofen 800 °C mit Probenhaltern und eingespannter Probe, ohne Frontverkleidung und Deckel.

Wir führen alle Versuche an selbst entwickelten Versuchsaufbauten durch. Standardmäßig lehnen wir unsere Versuche an Normen der makroskopischen Mechanik an. Bei Bedarf können wir unsere modularen Setups jederzeit den spezifischen Anforderungen neuer Projekte anpassen um z.B. anwendungsähnlichere Belastungszustände zu schaffen. Die Anpassungsmöglichkeiten reichen von der Auswahl der passenden Kraftmesszelle und Integration weiterer Sensorik über die Anpassung der Probengeometrie und der Probenklemmung bis hin zur Ofenentwicklung für verschiedene Temperaturbereiche. Zudem können kurzfristig Modifikationen an der Steuerungssoftware vorgenommen werden.

 

 

 

 

 

nach oben

Publikationen

 

  • Schmitz-Elbers, M.; Lukinavičius, G.; Smit, T.H., Live fluorescence imaging of F-Actin organization in chick whole embryo cultures using SiR-Actin, Cells 10/7 (2021) Art. 1578, 10 Seiten Link
  • Texier, D.; Cadet, C.; Straub, T.; Eberl, C.; Maurel, V., Tensile behavior of air plasma spray MCrAlY coatings: Role of high temperature agings and process defects, Metallurgical and Materials Transactions A 51 (2020) 2766-2777 Link