Experimentelle Thermomechanik

Werkstoffcharakterisierung von metallischen Werkstoffen unter thermischen und mechanischen Lasten bei Temperaturen von -180 °C bis über 1000 °C

© Fraunhofer IWM
Hochtemperatur Rissfortschrittsmessung unter Hochvakuum.

Egal ob die Bauteilauslegung nach der Safe-Life-Methode erfolgt oder der Schadenstoleranz unterliegt, für beide Konstruktionsphilosophien sind entsprechende Werkstoffkennwerte unter betriebsnahen Belastungen von hoher Bedeutung.

Das Team »Experimentelle Thermomechanik« verfügt hierfür über einen umfangreichen Prüfmaschinenpark mit modernster Versuchstechnik und ein fundiertes Expertenwissen im Bereich der Hochtemperaturprüfung metallischer Werkstoffe unter thermischen und mechanischen Lasten bei Temperaturen bis über 1000 °C.

Im Fokus stehen hierbei insbesondere statische Versuche wie Zug- und Kriechversuche oder niederzyklische (LCF), hochzyklische (HCF) sowie anisotherme (TMF) Ermüdungsversuche. Durch eine überlagerte LCF/HCF- und TMF/HCF Belastung können beispielsweise hochzyklische Verbrennungsvorgänge nachgebildet werden. Die Verwendung von Wasserstoff als alternativen Gasturbinenbrennstoff in der künftigen emissionsarmen Stromerzeugung resultiert in einer wesentlichen Änderung der thermischen Beanspruchungen von Gasturbinenkomponenten, z.B. der Brennkammer. Das Einsatzverhalten dieser Bauteile kann beispielsweise durch iso- und anisotherme Rissfortschrittsmessungen – auch unter Schutzgasatmosphäre oder Hochvakuum – erprobt werden.

Für sehr besondere Anwendungsfälle sind maßgeschneiderte Prüfstände für bauteilnahe Probenkörper nach Kundenwunsch realisierbar.

Leistungen

  • Werkstoffcharakterisierung von metallischen Werkstoffen unter thermischen und mechanischen Lasten bei Temperaturen von -180 °C bis über 1000 °C. Hierzu gehören insbesondere (C)LCF, TMF, überlagerte LCF/HCF- und TMF/HCF Versuche, hochzyklische Thermoschock-Versuche auch mit überlagerter niederzyklischer Ermüdungsbelastung und Kriechermüdungsversuche.
  • Durchführung von Rissfortschrittsversuchen unter isothermen und anisothermen Bedingungen mit der (Wechselstrom)Potentialsonde und/oder optischen Methoden, Kurzrisswachstumsmessungen mit der Replika-Technik
  • Durchführung von Warmzug-, SSRT- und Druckversuchen, Relaxationsversuchen und (Kurzzeit)Kriechversuchen
  • Konzeption, Konstruktion, rechnerische Auslegung von speziellen Prüfaufbauten und komponentenähnlichen Prüfkörpern sowie Durchführung dieser Versuche.
  • Möglichkeit der Durchführung von Versuchen unter Schutzgas oder Hochvakuum

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Quantifizierung des Umgebungseinflusses auf die Hochtemperaturermüdung

Um den Effekt der Umgebungsatmosphäre und ihren Einfluss auf das Schädigungsverhalten aufzuklären und zu quantifizieren, wurde am Fraunhofer IWM ein Prüfaufbau mit Vakuumkammer entwickelt. Mit ihm lassen sich sämtliche Hochtemperaturversuche zur Qualifizierung von Werkstoffen für Hochtemperaturbauteile wie beispielsweise LCF-, TMF, HCF- oder Risswachstumsversuche unter Hochvakuum (bis 1E-9 bar) durchführen. Optional kann die Kammer auch mit diversen Schutzgasen gespült werden.

Der Prüfaufbau wurde für die speziellen Anforderungen der Hochtemperaturermüdung am Fraunhofer IWM konstruiert und mit Hilfe externer Partner gefertigt. Das Herzstück der Anlage ist die Prüfkammer, welche doppelwandig ausgeführt ist und somit eine innenliegende Wasserkühlung ermöglicht. Die Vakuumerzeugung erfolgt zunächst mittels Drehschieberpumpe, durch Zuschalten einer leistungsstarken Turbomolekularpumpe wird das Hochvakuum erreicht. Geeignete Durchführungen erlauben es, die Messsignale der Sensoren aus der Kammer zu führen. Die mechanische Last wird dabei durch eine servohydraulische Universalprüfmaschine der Firma Instron aufgebracht. Als Beheizung dient eine Hochfrequenz-Induktionsanlage, mit dieser können Temperaturen oberhalb von 1000 °C erreicht werden. Für Rissfortschrittsmessungen lässt sich die Rissverlängerung mit Hilfe einer Wechselstrompotentialsonde detektieren. Um weitere Erkenntnisse über das Schädigungsverhalten des Werkstoffes und die lokale Verformung mittels digitaler Bildkorrelation zu erhalten, soll zukünftig eine hochauflösende Messkamera innerhalb der Prüfkammer installiert werden.

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Thermomechanische Ermüdung mit überlagerter thermischer Belastung

Zahlreiche Hochtemperaturkomponenten unterliegen im Betrieb einer komplexen thermischen und mechanischen Belastung, wobei die mechanische Belastung ganz oder teilweise auf thermisch induzierte Spannungen infolge einer inhomogenen Temperaturverteilung im Bauteil zurückzuführen ist. Treten sehr lokal an der Bauteiloberfläche hohe Temperaturgradienten auf, z.B. infolge eines strömenden Wasserdampf-Mediums, spricht man von einer thermischen Ermüdung (TF) bzw. »Thermoschockbeanspruchung«. Diese führt häufig zu einer Vielzahl von kleinen Anrissen im oberflächennahen Volumenbereich ohne erkennbare Orientierung zur Belastungsrichtung bzw. als regelloses Rissnetzwerk, was häufig auch als »Krähenfüße« und »Elefantenhaut« bezeichnet wird.

Zur quantitativen Ermittlung des Einflusses der TF-Belastung auf die Lebensdauer wurde ein Versuchsstand entwickelt, mit dem erstmalig eine überlagerte thermomechanische (TMF) und thermische (TF) Ermüdungsbeanspruchung auf Laborproben aufgebracht werden kann. Untersuchungen an typischen Kraftwerkswerkstoffen zeigten eine (teils signifikante) Reduzierung der Gesamtlebensdauer durch TF-Überlagerung. Die fraktographischen Untersuchungen wiesen einen ähnlichen Charakter wie das Schädigungsbild realer Komponenten auf, so dass davon auszugehen ist, dass der Schädigungsmechanismus realitätsnah nachgebildet werden kann.

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Schnelles, berührungsloses Dehnungsmessverfahren für thermisch und mechanisch hoch belastete Werkstoffe

Werkstoffe für Leichtbau und Hochtemperaturanwendungen müssen vor ihrer Verwendung zunächst mittels Ermüdungsversuchen qualifiziert werden, um sie optimal einsetzen zu können. Klassischer Weise werden die Versuche im Bereich der niederzyklischen Ermüdung in Dehnungsregelung durchgeführt, wofür ein taktiler Dehnungsaufnehmer auf die Probenoberfläche aufgesetzt wird. Bei sehr duktilen Werkstoffen, beispielsweise einer Aluminiumlegierung bei 380 °C, kann das Ansetzen des Dehnungsaufnehmers bereits zu einer Vorschädigung der Probe und somit auch zu einem verfälschten Messergebnis führen.

Mit einem, in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IPM, neu entwickelten optischen Dehnungsmesssystem kann die Probendehnung berührungslos gemessen und insbesondere auch geregelt werden, ohne dass es durch die Verwendung von konventionellen, berührenden Messsystemen zu einer ungewollten Beschädigung des Prüfkörpers kommt. Das neue optische Messsystem nutzt schnelle, moderne Bildverarbeitungstechnologien erstmals dazu, die Vorteile taktiler und optischer Extensometer zu kombinieren: Schnelle, hochauflösende Kameras erfassen auch auf polierten Proben zuverlässig Oberflächenstrukturen und nutzen diese als natürliche Marker bei der Bildverarbeitung. Dadurch entfällt die aufwändige Probenpräparation zur Aufbringung von künstlichen Markern.

Durch eine parallelisierte Bildauswertung auf Grafikkarten lässt sich die Dehnung aktuell bereits berührungslos mit mehr als 1000 Hz messen – zuvor waren bei optischen Systemen nur Messraten bis 100 Hz möglich. Die Messgenauigkeit des neuen Fraunhofer-Dehnungsmesssystems entspricht der Klasse 0,5 nach DIN ISO 9513. Die Größe des Bildfeldes kann an die Prüfaufgabe angepasst werden, sodass die Echtzeit-Auswertung auch dehnungsgeregelte Versuche im Mikro- und Makrobereich erlaubt. Das optische Messsystem bietet auch die Möglichkeit von weiteren bildverarbeitenden Analysen. So könnte beispielsweise die Schädigungsentwicklung in Echtzeit oder im Nachgang analysiert werden. So erhalten Projektpartner exaktere Messdaten für noch genauere Vorhersagen der Bauteillebensdauer.

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Publikationen

  • Garcia Trelles, E.; Eckmann, S.; Schweizer, C., Experimental characterization of the short crack growth behavior of a ductile cast iron (DCI GJS-500) affected by intergranular embrittlement at temperatures nearby 400 °C, International Journal of Fatigue 155 (2022) Art. 106573, 13 Seiten Link
  • Blug, A.; Regina, D.J.; Eckmann, S.; Senn, M.; Bertz, A.; Carl, D.; Eberl, C., Real-time GPU-based digital image correlation sensor for marker-free strain-controlled fatigue testing, Applied Sciences 9/10 (2019) Artikel-Nr. 2025, 15 Seiten Link
  • Blug, A.; Regina, D. J.; Eckmann, S.; Senn, M.; Eberl, C.; Bertz, A.; Carl, D., GPU-based digital image correlation system for real-time strain-controlled fatigue and strain field measurement, Proceedings of SPIE Volume 11056, Optical Measurement Systems for Industrial Inspection XI; Lehmann, P. (Hrsg.); Society of Photo-Optical Instrumentation Engineers (SPIE), Bellingham, WA, USA (2019) 110560V 1-10 Link
  • Eckmann, S.; Schweizer, C.; Characterization of fatigue crack growth, damage mechanisms and damage evolution of the nickel-based superalloys MAR-M247 CC (HIP) and CM-247 LC under thermomechanical fatigue loading using in situ optical microscopy; International Journal of Fatigue 99/Part 2 (2017) 235-241 Link
  • Wackermann, K.; Schweizer, C.; Varfolomeev, I.; Maier, G.; Mohrmann, R.; Messung von Risswiderstandskurven und der Ermüdungsrissausbreitung an dünnwandigen Rohren zur bruchmechanischen Bewertung; in Tagungsband Langzeitverhalten warmfester Stähle und Hochtemperaturwerkstoffe : 39. Vortragsveranstaltung der Forschungsvereinigung für Warmfeste Stähle und Hochtemperaturwerkstoffe; VDEh, Düsseldorf (2017) 131-142 Link
  • Schlesinger, M.; Schweizer, C.; Brontfeyn, Y.; Influences on the thermomechanical fatigue crack growth of the nickel alloy 617; Materials Testing 57/2 (2015) 131-135 Link
  • Krämer, M.; Müller, F.; Scholz, A.; Eckmann, S.; Schweizer, C.; Zeitabhängiges Rissverhalten unter anisothermen Beanspruchungen – Entwicklung und Validierung von Berechnungsmethoden; Time-dependent crack behaviour under nonisothermal Loads – Development and validation of calculation methods, in Tagungsband Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e. V. FVV Herbsttagung 2014; Forschungsvereinigung Verbrennungs-Kraftmaschinen FVV, Frankfurt (2014) 65-99 Link
  • Metzger, M.; Seifert, T.; A mechanism-based model for LCF/HCF and TMF/HCF life prediction: multiaxial formulation, finite-element implementation and application to cast iron; Technische Mechanik 32/2-5 (2012) 435-445 Link
  • Schlesinger, M.; Seifert, T.; Möser, M.; Riedel, H.; LCF- und TMF-Versuche mit kraftwerkstypisch niedrigen Belastungsraten zur Charakterisierung von Nickelbasislegierungen; in Tagungsband Werkstoffprüfung 2010: Konstruktion, Werkstoffentwicklung und Schadensanalyse; Pohl, M. (Hrsg.); Verlag Stahleisen GmbH, Düsseldorf (2010) 113-118 Link
  • Schweizer, C.; Seifert, T.; Riedel, H.; Rissverhalten unter anisothermen Beanspruchungsbedingungen – Berechnungsverfahren für Nickelbasislegierungen; in Tagungsband Herbsttagung FVV 2010 - Informationstagung Turbomaschinen, FVV Heft R 552, Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. FVV, Frankfurt (2010) 159-183
  • Schweizer, C.; Seifert, T.; Schlesinger, M.; Riedel, H.; Korrelation zwischen zyklischer Risspitzenöffnung und Lebensdauer; in DVM-Tag 2012 – Multimaterialsysteme, DVM-Bericht 679; Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. DVM (2007) 237-246 Link
  • Seifert, T.; Ein komplexes LCF-Versuchsprogramm zur schnellen und günstigen Werkstoffparameteridentifizierung; in Tagungsband Werkstoffprüfung 2006 - Fortschritte der Kennwertermittlung für Forschung und Praxis, Borsutzki, M.; Geisle, S. (Eds.), Verlag Stahleisen; Düsseldorf (2006) 409-414 Link
  • Tandler, M.; Seifert, T.; Mohrmann, R.; Bestimmung von Spannungs-Dehnungs-Kurven bei erhöhter Temperatur aus registrierenden Eindruckversuchen; in Tagungsband Werkstoffprüfung 2006 - Fortschritte der Kennwertermittlung für Forschung und Praxis; Borsutzki, M.; Geisle, S. (Eds.), Verlag Stahleisen; Düsseldorf (2006) 127-132 Link

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