Im Dialog: Geschäftsfeld Bauteilsicherheit und Leichtbau

Bewertung der Sicherheit und Eignung von Bauteilen mit hohen sicherheitstechnischen Anforderungen unter betriebsrelevanten Beanspruchungen

© Fraunhofer IWM, Foto: Margrit Müller
Dominik Discher (Mitte), Dr. Michael Luke (links) und Dr. Silke Sommer (rechts) unterhalten sich über eine geprüfte Probe.

Wie lässt sich ein Hauptthema des Geschäftsfeldes in wenigen Worten zusammenfassen?

Luke: Es geht um die Sicherstellung der Integrität von Strukturbauteilen und damit auch um den Umgang mit Fehlern. Mit Fehlern sind hier Defekte (Risse, Einschlüsse oder Unregelmäßigkeiten) in den verbauten Werkstoffen gemeint, die in der Fertigung beispielsweise beim Gießen, Schmieden oder Schweißen entstehen können oder im Einsatz aufgrund von Ermüdung oder Alterung. Aber: Kleiner Fehler, großer Schaden. Diese Sorge treibt unsere Kunden um. Und erst recht bei sehr großen Bauteilen, bei sicherheitsrelevanten Anwendungen oder bei Bauteilen, die in großer Zahl im Einsatz sind. Wir schlagen die Brücke zwischen Werkstoffverformung, Werkstoffdefekten und der Bauteilsicherheit.

Das ist ein klassisches Thema des Instituts. Wo liegen hier die Innovationspotenziale?

Luke: Zum einen in immer wieder neuen Anwendungen; etwa der Frage nach Inspektionsintervallen bei Windkraftanlagen, der Crashsicherheit von Batteriesystemen in E-Fahrzeugen oder der Sicherheit von Bauteilen, die in Wasserstoffanlagen zum Einsatz kommen. In jedem System gibt es Schwachstellen, die wir aus der Struktur- und der Werkstoffperspektive identifizieren und mit Blick auf ein mögliches Schadenspotenzial bewerten. Es gibt Defekte, die unkritisch sind, und andere, bei denen man sofort handeln muss. Und es gibt Schäden, die nachhaltig zu vermeiden sind.

Sommer: Unsere Innovationen liegen auch in den Methoden, die zur Werkstoff- und Bauteilbewertung zum Einsatz kommen. Die Bruchmechanik ist unser etabliertes Arbeitspferd – zu unseren neueren Kompetenzen gehören die Künstliche Intelligenz oder die Quantensensorik. Im Geschäftsfeld wurde zum Beispiel jüngst ein Deep-Learning-Modell entwickelt und implementiert, mit dem die Qualität von Stählen anhand der Kornstruktur objektiv und automatisiert klassifiziert und bewertet werden kann. Damit tun sich neue Anwendungsgebiete auf. Ebenso haben wir ein quantenmagnetometrisches Messsystem in der Entwicklung aufgebaut, das Ermüdungserscheinungen in Materialien detektiert, lange bevor ein Riss entsteht. Denkbar ist auch, dieses für das Monitoring von Gefügeveränderungen in der Wärmebehandlung zu nutzen. Derzeit arbeiten wir an der Übersetzung der Magnetfeldsignale in zuverlässige Aussagen zum Werkstoffzustand.

Wie findet der Know-how-Transfer in Projekte statt?

Sommer: Wir freuen uns, dass wir unsere Kompetenz in das große Forschungsprojekt »DigiTain« (Digitalization for Sustainability) einbringen können. Das Projekt mit 26 Partnern wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Das große Ziel ist die Digitalisierung der Fahrzeugentwicklung und die digitale Zertifizierung für nachhaltige Antriebsarchitekturen. Hier sorgen wir mit der Entwicklung von Werkstoffmodellen und Simulationsmethoden dafür, dass die eingesetzten Werkstoffe und Bauteile mit ihren Besonderheiten integraler Bestandteil der digitalisierten Entwicklungsprozesse werden können.

Gleichzeitig geht es aber auch darum, das Gesamtfahrzeug bereits in der digitalisierten Entwicklung ökologisch zu optimieren und nicht erst am Ende den ökologischen Fußabdruck zu bestimmen. Und bei der Nachhaltigkeit spielen die Werkstoffe letztlich eine entscheidende Rolle. Im Projekt werden digitale Prozesse, Methoden und Werkzeuge entwickelt, die ökologischen, ökonomischen und werkstofftechnologischen Anforderungen Rechnung tragen. Bauteilsicherheit, Nachhaltigkeit und Kosten gemeinsam in der Entwicklung von Bauteilen zu betrachten, werden immer wichtiger und erfordern disziplinübergreifendes Arbeiten. Zusammen mit anderen Fraunhofer-Instituten sind wir hier gut aufgestellt.

Als Fazit, wie hängen die digitale Fahrzeugentwicklung und die eingangs genannten Fehler in Werkstoffen zusammen?

Luke: Letztlich geht es immer um die Absicherung der Leistungsfähigkeit, der Lebensdauer und der Funktion eines technischen Bauteils während seines Lebenszyklus. Die dazu nötigen Vorhersagen werden mit Werkstoffmodellen getroffen, die die Eigenschaften, die Belastbarkeit und die Fehlertoleranz der realen Werkstoffe mathematisch beschreiben. Werkstoffe sind ja keine idealisierten Gebilde, sondern immer unvollkommen und fehlerbehaftet. Und damit gilt es umzugehen. Nur dann können die Leistungsfähigkeit oder das Leichtbaupotenzial ausgeschöpft werden und Beiträge zur Nachhaltigkeit geleistet werden.

 

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