Festigkeitsnachweis von Maschinenbau-Komponenten mittels FKM-Richtlinien

Zum Aufbau einer performanten Wasserstoffinfrastruktur im Rahmen der Energiewende werden neben Auslegungskonzepten für spezifische Komponenten wie Pipelines und Druckbehälter (abgedeckt von den Regelwerken ASME1 B31.12 und AD 2000) insbesondere allgemein anwendbare Richtlinien für breite Anwendungen im Maschinenbau benötigt, die den Einfluss von Druckwasserstoff adäquat berücksichtigen. Dies betrifft beispielsweise Bauteile wie Armaturen, Ventile, Fittinge und Interfaces, Komponenten zur Betankung, Tankgefäße, Brennstoffzellen, Kompressor- und Turbinenkomponenten, Einspritz- und Brennerdüsen, Sensoren, Druckregler und viele weitere. Die damit verbundenen Einsatzbedingungen sind sehr unterschiedlich und durch stark variierende Belastungsarten (z. B. statisch, zyklisch, mehrachsig…), sowie Temperaturen (z. B. -80 bis 200 °C) und Druckbereiche (z. B. 1 bis 1000 bar Wasserstoffdruck) gekennzeichnet.

© Fraunhofer IWM
Abb. 1: Ablaufschema des dehnungsbasierten Konzeptes nach FKM-Richtlinie »Nichtlinear« [3], bei dem verschiedene Versagensgrenzkurven aus Werkstoffkennwerten (insbesondere Bruchdehnung A und Brucheinschnürung Z) abgeleitet werden, die unter Wasserstoffatmosphäre stark reduziert werden.
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Abb. 2: Berechnungsbeispiel [7] für das dehnungsbasierte Konzept nach FKM-Richtlinie »Nichtlinear« [3] für eine gekerbte Probe mit bauteilähnlichem Belastungszustand. Die zugrundeliegende Versagensgrenzkurve für das Material X3CrNiMo13-4 ist unter Wasserstoffeinfluss stark abgesenkt, sodass bei deutlich niedrigeren aufgebrachten Lasten ein Versagen prognostiziert wird. Materialdaten aus [8].

FKM-Richtlinien als Ausgangsbasis 

Eine ideale Ausgangsbasis, um möglichst allgemeingültige Berechnungsprozeduren und Festigkeitsnachweiskonzepte auch unter Wasserstoffatmosphäre aufzubauen, sind die bei vielen Unternehmen bereits fest etablierten FKM-Richtlinien [1]. Diese umfassen den allgemeinen rechnerischen Festigkeitsnachweis [2], eine Nachweisführung unter expliziter Nutzung nichtlinearen Werkstoffverformungsverhaltens [3], ein bruchmechanisches Konzept [4] sowie eine Richtlinie für Federbauteile [5]. Während der Gültigkeitsbereich der Richtlinien in aktueller Form eine Wasserstoffatmosphäre nicht mit einschließt, kann im Forschungsumfeld jedoch bereits eine Nachweisführung für spezielle Fälle angewandt werden, die sich stark an den FKM-Richtlinien orientiert und Werkstoffkennwerte als Eingabegrößen für die Berechnungsprozedur berücksichtigt, die unter Wasserstoffatmosphäre ermittelt wurden. Solch ein Beispiel ist im Folgenden gezeigt. 

Für nieder- bis mittelfeste Stähle wie niedriglegierte C-Stähle, Edelstähle und teilweise auch Ni-Martensite ist bezüglich der Festigkeitswerte wie Streckgrenze und Zugfestigkeit oft kein wesentlicher Effekt der Wasserstoffatmosphäre messbar. Die Wasserstoffversprödung äußert sich jedoch signifikant durch  eine erhebliche Reduktion von Bruchdehnung und -einschnürung. Dieser Effekt kann in der Bauteilauslegung mit dem dehnungsbasierten Konzept der FKM-Richtlinie »Nichtlinear« [3] berücksichtigt werden, indem verschiedene Versagensgrenzkurven (d. h. ertragbare plastische Dehnung εpl,V über der Spannungsmehrachsigkeit h, s. Abb. 2) unter Wasserstoff- und Referenzatmosphäre zugrunde gelegt werden. Diese können aus den Werkstoffkenn-werten wie insbesondere Bruchdehnung A und Brucheinschnürung Z berechnet werden. Abb. 1 zeigt das generelle Ablaufschema, während in Abb. 2 die Übertragbarkeit des Konzeptes auf eine gekerbte Probe dargestellt ist. Ebenso kann das Konzept auf Komponenten mit komplexerer Geometrie übertragen werden. 

Berechnungsbeispiele wie das hier gezeigte werden zurzeit im IGF-Vorhaben »Bauteilberechnung unter Wasserstoff-Einfluss« [6] erarbeitet, das vom Fraunhofer IWM mitinitiiert wurde. Weiterer dringender Forschungsbedarf besteht in der zukünftigen, allgemeinen Ertüchtigung der Richtlinien zur Berücksichtigung des Wasserstoffeinflusses.

 

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Verweise

[1] Forschungskuratorium Maschinenbau e. V. (FKM) im VDMA, http://fkm-net.de/ 

[2] Rennert, R.; Kullig, E.; Vormwald, M.; Esderts, A.; Luke, M., Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile - FKM-Richtlinie, Forschungskuratorium Maschinenbau FKM (Hrsg.), VDMA Verlag, Frankfurt (2020) 7. Auflage  

[3] Fiedler, M.; Wächter, M.; Varfolomeev, I.; Vormwald, M.; Esderts, A., Richtlinie Nichtlinear – Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile unter expliziter Erfassung nichtlinearen Werkstoffverformungsverhaltens für Bauteile aus Stahl, Stahlguss und Aluminiumknetlegierungen, Forschungskuratorium Maschinenbau FKM (Hrsg.), VDMA Verlag, Frankfurt (2019) 1. Auflage 

[4] Berger, C.; Blauel, J.; Hodulak, L.; Pyttel, B.; Varfolomeev, I., Bruchmechanischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile - FKM Richtlinie Forschungskuratorium Maschinenbau FKM (Hrsg.), VDMA Verlag, Frankfurt (2018) 4. Auflage 

[5] Kletzin, U.; Reich, R.; Oechsner, M.; Spies, A.; Pyttel, B.; Hannig, G.; Rennert, R.; Kullig, E., Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Federn und Federelemente – FKM Richtlinie, Forschungskuratorium Maschinenbau FKM (Hrsg.) VDMA Verlag (2020) 1. Auflage 

[6] »Erarbeitung einer KMU-tauglichen Berechnungsprozedur für Bauteile in Druck-wasserstoff-Atmosphäre am Beispiel ausgewählter struktureller Komponenten« IGF-Projekt 22733 BG, Laufzeit 01.01.2023 - 31.12.2024, Fördermittelgeber Bun-desministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK 

[7] Fischer, C.; Fliegener, S.; Oesterlin, H.; Michler, T.; Höhler, S.; Mondry, A.; Ertault de la Bretonniere, P., Codes and standards for the fatigue-based design of hydrogen infrastructure components, International Journal of Fatigue 171 (2023) Art. 107564, 17 Seiten https://publica.fraunhofer.de/handle/publica/439208 

[8] Deimel, P.; Sattler, E., Untersuchungen zum Wasserstoffeinfluss auf im Kom-pressorbau eingesetzte Werkstoffe, FKM 2007 Heft Nr. 295 Vorhaben Nr. 261 (Abschlussbericht), Forschungskuratorium Maschinenbau FKM (Hrsg.) VDMA Verlag, Frankfurt (2007)