Bruchmechanische Bewertung der Wasserstofftauglichkeit von komplexen Bauteilen

© Fraunhofer IWM
Finite-Elemente-Modell eines Armaturengehäuses mit Darstellung der Hauptnormalspannung.

Für druckführende Bauteile von Wasserstoffinfrastrukturen gelten besondere Sicherheitsanforderungen, die unter anderem durch Sprödbruchsicherheitsnachweise gewährleistet werden müssen. Hierbei wird vom Vorliegen fertigungs- oder betriebsbedingter Fehler ausgegangen. Da bei komplexen Bauteilgeometrien die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung erschwert ist, werden diese mit bruchmechanischen Methoden, in Anlehnung an bestehende Regelwerke, bewertet (Abb. 1). Letztere werden im Rahmen von aktuell laufenden öffentlich und durch Industrieverbände geförderten Aktivitäten hinsichtlich deren Anwendung für die Integritätsbewertung von Bauteilen unter Druckwasserstoffeinfluss überprüft und ertüchtigt. Das Fraunhofer IWM beteiligt sich an der Entwicklung von methodischen Grundlagen zur Bewertung und zum Nachweis der Wasserstofftauglichkeit kritischer Komponenten bestehender Gasnetze, einschließlich der Rohrleitungen, Armaturen sowie deren Schweißnähte. 

Zur Bewertung der Kritikalität rissartiger Defekte in solchen Komponenten erfolgen zunächst strukturmechanische Spannungsanalysen durch eine Finite-Elemente-Simulation des rissfreien Bauteils. Dadurch werden hochbeanspruchte Bauteilbe-reiche, insbesondere an geometrischen Übergängen, Kerben und Schweißnähten identifiziert. Dort werden rissartige Fehler unterstellt und deren Verhalten unter quasistatischer sowie wechselnder Beanspruchung bewertet. Die hierbei benötigten Kennwerte für Risszähigkeit und den zyklischen Fortschritt können anhand von konservativen Regelwerksempfehlungen beziehungsweise Literaturdatenauswertungen abgeschätzt oder experimentell bestimmt werden. 

Zur Ermittlung eines Worst-Case-Szenarios für das betrachtete Bauteil werden verschiedene Kombinationen von Risslage, -orientierung und -größe sowie Beanspruchung untersucht. Zum Integritätsnachweis von Schweißnähten werden zusätzlich Schweißeigenspannungen berücksichtigt, die anhand von vorliegenden bruchmechanischen Regelwerken konservativ abgeschätzt oder mittels numerischer Schweißprozesssimulationen ermittelt werden. Im letzteren Fall besteht die Möglichkeit, die Umlagerung beziehungsweise den Abbau der Schweißeigenspannungen infolge von Druckprüfung sowie Betriebslastwechseln rechnerisch zu bestimmen, was zu einer deutlichen Minderung der Bewertungskonservativität führt. Die bruchmechanischen Berechnungen mit dem Ziel, die Lebensdauer bis zum Bauteilversagen zu prognostizieren, werden durch das Fehlerbewertungsprogramm »IWM-VERB1« mit dort implementierten analytischen Ersatzmodellen und Lösungen für rissbehaftete Bauteile unterstützt. Damit wird eine verlässliche Aussage hinsichtlich der Bauteilintegrität bei niedrigen Rechenzeiten gewährleistet.

 

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