ORCHESTER: Digitales Ökosystem für eine resiliente und nachhaltige Versorgung mit funktionssicheren Werkstoffen

Laufendes Forschungsprojekt

Durch Krisen wie die Corona-Pandemie oder ausgesetzte Handelsabkommen kommt es immer wieder zu Lieferengpässen. Rohstoffe wie Nickel oder Magnesium und Seltene Erden, die die Industrie für die Fertigung unterschiedlichster Produkte benötigt, sind teilweise nur eingeschränkt verfügbar bzw. es besteht das Risiko von Lieferengpässen. Hier setzt das Fraunhofer-Leitprojekt »ORCHESTER« an: Seit Januar 2024 erforschen sechs Fraunhofer-Institute, wie die nachhaltige und resiliente Versorgung mit funktionssicheren Werkstoffen gestaltet und gesichert werden kann. Das auf vier Jahre angelegte interdisziplinäre Projekt soll die Informationsbasis dafür schaffen, Werkstoffe und Bauteile in möglichst hochwertiger Form zu erhalten und in den Kreislauf zu führen.

Projektbeschreibung

Das Projekt »ORCHESTER« strebt an, die Bandbreite der einsetzbaren Werkstoffe zu erweitern, den Recyclinganteil in Prozessen zu steigern und den Einsatz Seltener Erden aus der Primärroute zu reduzieren. Damit soll ein Paradigmenwechsel in der Werkstoffspezifikation weg von einer Defini­tion über Materialzusammensetzung hin zu einer funktionsbasierten Spezifikation erreicht werden – für eine schnellere Substitution von kritischen Materialien und somit eine resilientere Materialversorgung.

Das Projekt zeigt seine Wirksamkeit anhand von drei Demonstratoren, die sich auf Werkstoffspezifikation, Recycling und Kritikalität konzentrieren: So werden für Bipo­larplatten für Elektrolyseure und Brennstoffzellen bzw. Wärmetauscher, deren Kosten maßgeblich durch den Nickelanteil bestimmt werden – einem kritischen Element mit hohem Versorgungsrisiko – Wege erforscht, diesen Anteil zu reduzieren, ohne die wesentlichen funktionellen Eigenschaften der Bipolarplatten zu beeinträchtigen. An anderer Stelle gilt es, den Sekundärmaterialanteil der Aluminium-Legierung in Verdich­terrädern für Wasserstoffpipelines, Brennstoffzellen und Wärmepumpen zu maxi­mieren, um den energetischen Fußabdruck zu minimieren. Dabei setzt das Projekt auf experimentelle und simulationsgestützte High-Throughput-Screening-Methoden, um effiziente Legierungsvariationen zu identifizieren. Der dritte Demonstrator zielt auf die Wiederverwertung von Permanentmagneten für E-Motoren und Windkraftanlagen ab. Hierzu werden u.a. Simulationsmodelle und maschi­nel­les Lernen eingesetzt, um den Einfluss von Verunreinigungen auf die magnetische Performance vorherzusagen und entsprechende Legierungsfenster zu ermitteln. 

Teilvorhaben Fraunhofer IWM

Das Fraunhofer IWM fokussiert im Leitprojekt ORCHESTER auf die digital gestützte Werkstoff-, Prozess- und Bauteilbewertung. Im Leitprojekt sind wir der zentrale Treiber und Entwickler des digitalen Ökosystems zur Unterstützung einer nachhaltigen und resilienten Versorgung mit funktionssicheren Werkstoffen in Form einer Plattform für die Integration und Vernetzung von Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Plattform wird die Möglichkeit enthalten, digitale Produkte zu integrieren und so die Erkundung und Erweiterung von Daten zu verbessern, pro-aktives Handeln durch ein Frühwarnsystem für Stofffluss, Materialverfügbarkeit, Kritikalität und Rohstofffußabdruck zu ermöglichen, sowie für Handlungsempfehlungen bzw. Entscheidungshilfen auf der Basis von Daten und KI zu erhalten.

Neben dem Aufbau des digitalen Ökosystems sind wir in allen drei Demonstratoren aktiv. Dabei fokussieren wir auf die experimentelle Bestimmung sowie die Modellierung und Simulation von Chemie-Prozess-Struktur-Eigenschaftsbeziehungen. Der Demonstrator mit dem Schwerpunkt »Recycling«, bei dem der Sekundärmaterialanteil von Aluminium-Legierungen durch die Beherrschung von Verunreinigungen erhöht werden soll, stellt unser Hauptarbeitsgebiet dar. Insbesondere im Bereich der Modellbildung und Simulation unterstützen wir bei den Demonstratoren für die Werkstoffauswahl und -spezifikation sowie dem Demonstrator zur Kritikalität am Beispiel von Permanentmagneten. Sowohl physikalische Modelle als auch KI-Methoden kommen für die Modellierung und Simulation der Werkstoffeigenschaften und Prozesse zum Einsatz. 

Transfer der Projektergebnisse in FuE-Leistungen des Fraunhofer IWM 

  • Nutzung des digitalen Ökosystems für digital gestützte bzw. unterstützte Forschungsdienstleistungen zur Steigerung von Nachhaltigkeit und Resilienz für die
    • verbesserte Auswahl einsetzbarer Werkstoffe
    • Erhöhung des Recyclinganteils in Prozessrouten
    • kürzere Entwicklungszeit für Legierungen
    • weniger Seltene Erden aus primärer Produktion
  • Charakterisierung, Modellierung und Simulation von Chemie-Prozess-Struktur-Eigenschaftsbeziehungen zur Analyse und Bewertung der Funktionssicherheit von Werkstoffen
  • Datensätze für Chemie-Prozess-Struktur-Eigenschaftsbeziehungen
  • Lizenzierung des digitalen Ökosystems und der digitalen Produkte für lokale Instanzen in Unternehmen