Südwestmetall-Förderpreis für Dissertation von Dr. Ali Riza Durmaz
Förderpreis für Dissertation zur Nutzung von maschinellem Lernen für Vorhersage von Materialermüdung an Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM
Im April ehrte der Arbeitgeberverband Südwestmetall acht junge Nachwuchsforschende baden-württembergischer Landesuniversitäten für ihre bahnbrechenden wissenschaftlichen Arbeiten. Dabei wurde Dr. Ali Riza Durmaz, Forscher am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg, für seine hervorragende Dissertation mit dem Südwestmetall-Förderpreis ausgezeichnet. Im Rahmen seiner Arbeit hat er einen KI-gestützten Workflow zur verbesserten Vorhersage mikrostruktureller Ermüdungsprozesse entwickelt.
Die von Südwestmall ausgezeichnete Dissertation mit dem Titel »Experimental and Data-driven Workflows for Microstructure-based Damage Prediction«, die durch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vergeben und von der Bosch-Forschungsstiftung finanziell gefördert wurde, adressiert die Materialermüdung als häufigste Ursache für mechanisches Versagen von Bauteilen. Dr. Ali Riza Durmaz vom Fraunhofer IWM in Freiburg befasst sich hier mit der effizienten Erhebung von Experimentaldaten und der Vorhersage dieser Degradationsprozesse. Entwickelt wurde im Rahmen seiner Forschung ein durch maschinelles Lernen gestütztes Hochdrucksatzverfahren zur effizienten Erhebung, Anreicherung und Verarbeitung experimenteller Mikrostruktur- und Materialermüdungsdaten.
Der Ausgangspunkt der Arbeit ist, dass die Modellierung und Vorhersage der Bauteillebensdauer durch das Fehlen umfangreicher Daten beeinträchtigt ist. Ermüdungsdaten sind inhärent teuer, da langwierige Versuchsreihen erforderlich sind, um diese zu erheben. »Häufig sind einzelne kritische Defekte in der Mikrostruktur ausschlaggebend, weshalb die Ermüdungseigenschaften von Material zu Material stark variieren« erläutert der Wissenschaftler. Deswegen ist neben den Ermüdungsexperimenten oft eine ganzheitliche Untersuchung der Defektverteilung und Mikrostruktur erforderlich, um die lokalen Degradationsmechanismen zu verstehen und Materialien zu optimieren. Der Aufwand, solche Daten zu erheben, die Mikrostruktur mit Ermüdungseigenschaften assoziieren, ist mit den gängigen Praktiken im industriellen Umfeld nicht tragbar. Durmaz erklärt: »Eine Herausforderung besteht darin, dass Modelle zur Vorhersage der Ermüdungseigenschaften derzeit schlecht generalisieren, also nicht gut auf verschiedene Materialien angewendet werden können, da die Ermüdungsmechanismen sich oft grundlegend unterscheiden.«
Daher müssten für die Qualifizierung neuer Materialien stets neue Daten erhoben werden; diese Daten schnell aufzunehmen erlaube es, die Bauteilauslegung mit neuen Materialien zu beschleunigen. »Ganzheitlich Daten aufzunehmen, ermöglicht es uns, Materialien überhaupt erst vergleichbar zu machen.«
Um dies zu erreichen, schlägt die Arbeit einen Workflow vor, der experimentelle und datenverarbeitende Methoden eng miteinander verknüpft. Dieser teilautomatisierte Workflow erlaubt es, schnell Daten zur Beziehung zwischen Mikrostruktur und Ermüdungseigenschaften erheben. So können ganzheitlichere Ermüdungsdaten mit vertretbarem Zeitaufwand aufgenommen werden, um perspektivisch Prognosemodelle zu entwickeln, die über verschiedene Materialien hinweg generalisieren. Die Effizienz des Workflows wurde zunächst am Beispiel eines ferritischen Stahls demonstriert und anschließend die Übertragbarkeit auf andere Legierungen verifiziert.
KI-gestützter Workflow zum intelligenten Kombinieren von Daten aus unterschiedlichen Quellen
Die wesentliche Neuerung, die aus der Arbeit hervorgeht, ist die Kombination von Daten aus verschiedenen Versuchen und Simulationen sowie die synergetische Nutzung der darin enthaltenen komplementären Informationen im Sinne der Datenfusion. In den Workflow münden multimodale Daten aus der beschleunigten Ermüdungsprüfung von mesoskaligen Proben und aus ergänzenden mikrostrukturellen Charakterisierungsmethoden. Dabei werden heterogene Bilddaten, welche verschiedene Längenskalen abbilden und unterschiedliche Information beinhalten, örtlich überlagert im Sinne der multimodalen Bilddatenregistrierung. Die Komplementarität der Daten wird bei der Datenfusion ausgenutzt, um lokale Schädigungen mit hoher zeitlicher und örtlicher Auflösung zu detektieren und mit mikrostrukturellen Entitäten, wie versagenskritischen Einschlüssen oder Korngrenzen, zu assoziieren. Einzelne Aspekte innerhalb des Workflows werden mit Deep Learning Ansätzen adressiert, darunter zum Beispiel die Segmentierung schwach ausgeprägter Plastizitätsspuren und Risse in rasterelektronenmikroskopischen Abbildungen. Die resultierenden angereicherten Datensätze ermöglichen es, mikrostrukturempfindliche Ermüdungsprozesse besser zu verstehen, zu modellieren und vorherzusagen, und legen die Grundlage für datengetriebene Modellierungsansätze für die Materialermüdung.
Der Datensatz aus Durmaz‘ Dissertation wurde jüngst in weiteren Forschungsarbeiten genutzt, um mittels Graph Neural Networks und Data Mining Ansätzen ein detaillierteres Verständnis über für die Materialermüdung zu gewinnen. So konnten Rückschlüsse auf mikrostrukturelle Konstellationen gezogen werden, die für Materialermüdung kritisch sind. Außerdem finden die Daten finden auch Anwendung in der Industrie, wo sie unter anderem auch zur Validierung von Kristallplastizitätsmethoden eingesetzt werden.