Die Bestimmung von Eigenspannungen in Offshore-Baustrukturen von Windparks war bisher aufgrund der schwierigen Bauteilgeometrie und der langen Messzeiten nicht möglich oder mindestens sehr aufwändig. Das Fraunhofer IWM konnte nun den Verlauf von kritischen Zugeigenspannungen am Schweißnahtübergang an Mantelrohrstrukturen mittels Röntgenbeugung effizient mit einem handlichen Diffraktometer direkt am Bauteil messen. Somit wurde gezeigt, dass es möglich ist, sehr lokal Eigenspannungen an großen Bauteilen zu bestimmen. Die Modelle der Offshore-Baustrukturen im Maßstab 1:1,5 bzw. 1:2 waren zum Zwecke der Bauteilprüfung an Land am Fraunhofer IWES in einer Prüfhalle gelagert.
Insbesondere am Nahtübergang können aufgrund der durch das Schweißen eingebrachten Temperaturführung eine grobkörnigen Mikrostruktur, schädigende Zugeigenspannungen und sogar Risse entstehen. Nur durch Kenntnis des komplexen Zusammenspiels von Eigenspannungen, Materialfestigkeit, Strukturintegrität und äußerer Belastung kann das volle Potenzial des Werkstoffs ausgereizt werden. Das Wissen über den Einfluss von Eigenspannungen ist für eine Berechnung der Ermüdungsfestigkeit von Schweißnähten von großer Bedeutung.
Die Messungen wurden vor Ort an jeweils einem unbelasteten und belasteten Modell einer Offshore-Baustruktur mit einer Höhe bis 3 m durchgeführt. Am Schweißnahtübergang wurden an der unbelasteten Struktur Zugeigenspannungen bis 250 MPa bestimmt. Geringere Zugeigenspannungen lagen an dem Nahtübergang der belasteten Struktur vor. Im nächsten Schritt müssen Ermüdungsversuche nun zeigen, ob Ermüdungsrisse tatsächlich in Bereichen von hohen Zugeigenspannungen entstehen.
Schubnell, J.; Carl, E.; Widerspan, V.; Collmann, M., Determination of loading and residual stresses on offshore jacket structures by X-ray diffraction, Journal of Marine Science and Engineering 11/7 (2023) Art. 1304, 10 Seiten Link